31. Oktober 2016 Die VG Wort und die unabhängigen Verlage in der Krise

Erklärung der Kurt Wolff Stiftung zur Lage nach dem VG Wort-Urteil und vor Beginn der Rückzahlungen

Gerade hat die Verwertungsgesellschaft Wort Rückzahlungsforderungen an die Verlage verschickt.
Diese gründen in der diesjährigen richterlichen Aufhebung des vor vielen Jahrzehnten in der VG Wort einstimmig getroffenen Beschlusses, die Geldsummen, die für die physischen und digitalen Kopien urheberrechtlich geschützer Werke von den Verwertungsgesellschaften eingezogen werden, zwischen den Autorinnen und Autoren und den Verlagen aufzuteilen.
Dieses Urteil verkennt, dass zwar die Autorinnen und Autoren ihr Werk geschaffen haben, doch auch der Verlag zumeist einen hohen Anteil daran hat, dass das Werk gelungen ist und verbreitet wird – und somit überhaupt kopiert werden kann.
In den vergangenen Jahrzehnten haben die Verlage allerdings ihre Leistung im Lektorat, im Vertrieb und bei der Promotion der Bücher leider oft dezent beschwiegen.
Zudem, das soll nicht geleugnet werden, gibt es, wie in jeder Branche, in unserem Metier einige schwarze Schafe, deren zusätzliche Leistungen für das zu verkaufende Werk nicht messbar sind und die die Autorinnen und Autoren schlicht ausbeuten.
Diese beiden Umstände erlauben es, in interessierten Kreisen das Gerücht zu streuen, Verlage seien insgesamt überflüssig. Die interessierten Kreise schafften es, die Autorinnen und Autoren und die Verlage auseinanderzudividieren, die einen als naive Opfer, die anderen als durchtriebene Täter hinzustellen.
Für die von der Kurt Wolff Stiftung vertretenen Verlage können wir ohne Zögern sagen, dass dies nicht stimmt. Vielmehr versuchen diese Verlage fair zu den Autorinnen und Autoren zu sein, ebenso, wie sie fair auf den Buchhandel zugehen und im Umgang mit anderen Verlagen große Kollegialität zeigen.
Sie sind Enthusiasten, die, wenn sie ein wenig Geld übrig haben, dieses lieber in ein Projekt investieren, als es auf die hohe Kante zu legen. Ökonomen mögen dieses Verhalten belächeln. Der Vielfalt der Kultur hat es dagegen keinesfalls geschadet.
Nicht umsonst erscheint heute die Mehrzahl der ausgezeichneten Lyrikbände in unabhängigen Verlagen. Auch wichtige Werkausgaben werden inzwischen vor allem von unabhängigen Verlagen herausgebracht. Und in diesem Jahr gingen alle Preise der Leipziger Buchmesse sowie der Deutsche Buchpreis nicht umsonst ausschließlich an Bücher, die in Verlagen erschienen sind, die dem Freundeskreis der Kurt Wolff Stiftung angehören.
Doch der Enthusiasmus für das gute Sachbuch und für die Literatur hat seine Kehrseite.
Die Rückzahlungsforderungen, die nun anstehen, lassen bereits die größten deutschen Verlagsgruppen schwitzen. Sie werden einige unserer unabhängigen Kolleginnen und Kollegen jedoch derart treffen, dass sie wahrscheinlich in die Insolvenz gehen müssen.
Die Rückzahlungsforderungen sind rechtens, das bestreiten wir nicht. Und die Rückzahlungen werden nun fällig. Das ist so.
Doch bislang gab es einige Hilfeversprechen vonseiten der Politik, konkrete Maßnahmen sind allerdings nicht erfolgt. Stundungsmöglichkeiten, die die Leitung der VG Wort vorgeschlagen hat, wurden abgelehnt. Es gibt nun verlagsseitig Ideen wie jene, das Leistungsschutzrecht für Verlage einzuführen, dieses jedoch würde nach unserer Meinung erst recht eine Spaltung zwischen Autorinnen und Autoren und Verlagen herbeiführen. Das ist nicht in unserem Sinne.
Angesichts dessen aber, dass wahrscheinlich alle Verlage nun weniger Bücher produzieren werden, angesichts dessen, dass einigen Verlagen der Konkurs droht, angesichts dessen, dass Buchprojekte nun nicht realisiert oder fortgeführt werden, angesichts all dessen kann man von einer sehr ernsthaften Krise sprechen. Von einer Krise der Verlage und einer Krise der Literatur.
Diese geht uns alle an – die Verlage, die Autorinnen und Autoren, die Übersetzerinnen und Übersetzer ebenso wie den Buchhandel und den Kulturjournalismus und nicht zuletzt die Leserinnen und Leser. Ein Rückbau der kulturellen Vielfalt kann in niemandes Interesse sein.
Wir fordern daher umgehende Maßnahmen zum Schutz der unabhängigen Verlage vonseiten der Politik.
Wir bitten die Autorinnen und Autoren und die Übersetzerinnen und Übersetzer um Unterstützung: Die Wichtigkeit der Verlagsarbeit sollte, wenn sie Ihnen etwas wert ist, auch von Ihnen betont werden. Wir sitzen im gleichen Boot.
Und wir bitten die Leserinnen und Leser: Unterstützen Sie uns, unterstützen Sie die Autorinnen und Autoren, indem Sie Bücher von unabhängigen Verlagen kaufen – und lesen.
Denn erst das gelesene Buch macht die Arbeit der Urheberinnen und Urheber und der Verlage sinnvoll!

Britta Jürgs Leif Greinus Jörg Sundermeier
Vorstand der Kurt Wolff Stiftung

Leipzig, 31.10.2016

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