11. Oktober 2019 Zur Lage unabhängiger Verlage im Oktober 2019

Vor einem Jahr haben wir eine Presseerklärung veröffentlicht, deren Überschrift lautete: ›Die Lage ist ernst‹.

Damals konnten wir nicht ahnen, dass zu Beginn dieses Jahres der Branchenriese KNV, ein Zwischenhändler im Buchhandel, in die Insolvenz gehen musste. Dadurch entstand allen Verlagen großer Verlust – es ging bei einigen unabhängigen Verlagen um fünf-, wenn nicht um sechsstellige Summen. Zwar wurde die Firma KNV durch den Verkauf an die Zeitfracht-Gruppe gerettet, dennoch hat diese Insolvenz viele offene Wunden hinterlassen.

Im Mai dieses Jahres dann verkündete die Deutsche Post Portoerhöhungen, auch für die Büchersendung, deren Porto um bis zu 60 Prozent steigen soll. Die Post ist ein Unternehmen mit Beteiligung des Bundes, das den Größen des Onlinehandels immer großzügigere Rabatte gewährt.

Schließlich beschloss der Zwischenhändler Libri im Sommer, seinen Titelbestand um rund 25 Prozent zu reduzieren. Da viele dieser Titel auch bei KNV Zeitfracht nicht mehr lieferbar sind, zugleich viele Buchhandlungen nicht direkt bei Verlagen oder Auslieferungen bestellen, heißt das, dass eine flächendeckende Versorgung mit vielen Büchern – gerade aus unabhängigen Verlagen – nicht mehr gewährleistet ist. Das bedroht die Existenz von Autorinnen und Autoren (deren Werk unsichtbar wird), das bedroht Verlage ebenso wie Buchhandlungen, da Onlineversender durch private Händlerangebote eine größere Sortimentstiefe aufbauen können.

Schon in den vergangenen Jahren haben wir zudem einigen Insolvenzen und Geschäftsaufgaben von renommierten Verlagen zusehen müssen.

Das alles lässt uns konstatieren: Die Lage ist im Herbst 2019 noch ernster geworden. Die kulturelle Vielfalt, die Bibliodiversität, ist weiterhin akut bedroht.

Der Deutsche Verlagspreis, den die Staatsministerin für Kultur und Medien, Prof. Monika Grütters, in diesem Jahr auf der Buchmesse erstmals vergibt, ist großartig! Er rettet einige Unternehmen vielleicht sogar durch das Jahr und ist für alle, auch alle diesmal noch nicht prämierten unabhängigen Verlage, ein wunderbares Instrument, um die Sichtbarkeit zu erhöhen, um wieder einmal den Medien die Gelegenheit zu geben, auf die unabhängigen Verlage zu verweisen und auf die Vielfalt, die sie mit ihren Programm ermöglichen.

Wir sind der Kulturstaatsministerin für die Schaffung dieses Preises sehr dankbar.

Und wir müssen weiterkämpfen – es muss weitere Förderprogramme für unabhängige Buchhandlungen und Buchverlage geben, auf Bundes- und auf Länderebene, denn wirtschaftliche Förderung tut not. Wir brauchen – gerade in Fragen der Sichtbarkeit – öffentliche Unterstützung, auch in den Medien.

Denn nur, wenn die Bibliodiversität erhalten bleibt, nur wenn der Band mit georgischer Lyrik ebenso wie der politische Krimi aus dem Sudan, wenn das elegante Kochbuch aus Japan und der anspruchsvolle Roman aus Thüringen, wenn die Werkausgabe einer von den Nazis verfolgten jüdischen Autorin genauso wie die Graphic Novel eines jungen norwegischen Zeichners weiterhin erscheinen können, nur, wenn die unabhängigen Verlage weiterhin arbeiten können und ihre Bücher in unabhängigen Buchhandlungen ausliegen, ist für die kulturelle Vielfalt gesorgt, die wir brauchen.

Und das sollte gerade ›in diesen geistfernen Zeiten‹ (Hans Wollschläger) unser aller Anliegen sein.

 

Leipzig, der 11. Oktober 2019

Der Vorstand der Kurt Wolff Stiftung:

Britta Jürgs

Leif Greinus

Jörg Sundermeier