Herzlich willkommen, liebe Gäste, liebe Preisträger und liebe Preisträgerin, verehrter Herr Dr. Dieckmann, liebe Kuratoriumsmitglieder, Liebe Frau Kulturstaatsministerien Claudia Roth, Liebe Frau Kulturbürgermeisterin Dr. Skadi Jennicke Liebe Astrid Böhmisch,
Herzlich Willkommen zur Kurt Wolff Preisverleihung 2025.
Wie in jedem Jahr hat das Kuratorium der Stiftung im Vorfeld beraten … und hat für den diesjährigen Kurt-Wolff-Preis den Verlag Theater der Zeit designiert, und entschieden, dass der Verlag A · B · Fischer mit dem Kurt Wolff Förderpreis 2025 ausgezeichnet wird. Sie, lieber Herr Dr. Diekmann, werden gleich genauer darauf eingehen, was die diesjährigen Preisträger so besonders macht. Nur soviel: Beide Verlage orientieren sich in ihrem Programm NICHT am Mainstream und sind damit beispielhaft für die Bibliodiversität der deutschen Verlagslandschaft. Diese zu fördern ist, wie Sie alle wissen, das Ziel der Kurt Wolff Stiftung.
Warum tun wir das? Warum haben sich vor mehr als 2 Jahrzehnten einige kluge Verleger zusammengetan und mit Unterstützung des ersten Kulturstaatministers Michael Naumann die Kurt Wolff Stiftung ins Leben gerufen, die in diesem Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum feiert?
Nun ganz einfach, weil Verlage in einer Demokratie „systemrelevant“ sind. Und weil unsere Kollegen in ihrer Weitsicht bereits in den 1990er Jahren erkannt haben, dass die strukturellen Veränderungen in der Buchbranche, deren Folgen damals schon absehbar waren, und ein von zunehmender Technologisierung beschleunigter gesellschaftliche Wandel, die Institution einer eigenen starken Stimme für die Belange und Interessen der unabhängigen Verlage erforderten.
Die beiden Preise, die die Stiftung heute verleiht und die der prestigeträchtigste Teil unserer Stiftungsarbeit sind, sorgen ebenso wie der Katalog „Es geht um das Buch“, den die Kurt Wolff Stiftung jedes Jahr neu herausbringt – beides dank der finanziellen Unterstützung Ihres Hauses, liebe Frau Kulturstaatministerin, wofür ich an dieser Stelle sehr herzlich danken möchte – der Preis und der Katalog sorgen dafür, dass die Arbeit von unabhängigen Verlagen, das Engagement ihrer Verleger*innen abseits des Mainstreams und für eine vielfältige Buchlandschaft sichtbar und wertgeschätzt wird.
Was meine ich, wenn ich Verlage als „systemrelevant“ bezeichne?
Nun, Verlegerinnen und Verleger sind Unternehmerinnen und Unternehmer. Oberflächlich betrachtet produzieren sie Bücher. Aber tatsächlich verbreiten sie Inhalte, Geschichten, Ideen, die Leserinnen und Leser anregen und bilden, die Diskurse und gesellschaftliche Debatten begleiten oder anstoßen oder einfach nur für Unterhaltung und Entspannung sorgen.
Verlegerinnen und Verleger sind aufmerksame (auch kritische) Beobachter der Gesellschaft, in der sie leben und für die sie ihre Programme entwickeln. Wir sind Vermittler, Kommunikatoren. Dass insbesondere die konzernunabhängigen Verlegerinnen und Verleger große wirtschaftliche Risiken auf sich nehmen, um unbekannten Autor*innen eine Stimme zu geben, um öffentliche Auseinandersetzungen in dieser Gesellschaft mit Buchtiteln zu begleiten oder gar Diskussionen anzustoßen (Stichwort „Meinungsfreiheit“ & „Freiheit des Wortes“), hat mit dem Selbstverständnis und dem ethischen Anspruch zu tun, der verlegerischer Arbeit generell zugrunde liegt. Ich könnte Ihnen hier eine lange Liste von Themen aufzählen, die in den letzten Jahrzehnten maßgeblich durch Buchveröffentlichungen in die öffentliche Debatte gelangt sind. Und oft waren es kleinere und unabhängige Verlage, die den Mut hatten, diese Buchtitel zu veröffentlichen.
Wir Verlegerinnen und Verleger fragen uns, warum deutschsprachige Leserinnen und Leser dieses eine Buch lesen sollten, ja müssen. Ist ein Manuskript inhaltlich und sprachlich gelungen und so relevant, dass seine Veröffentlichung die Leserinnen und Leser und damit auch diese Gesellschaft voran bringt? Diese Fragen stellen wir uns nicht nur bei anspruchsvollen oder gar unbequemen, sondern ebenso bei unterhaltsamen Texten. Und natürlich gehört zur Abwägung auch, welches Risiko für den Verlag entsteht, falls es nicht gelingt, die Leserinnen und Leser zu erreichen.
Nun hat die Sichtbarkeit der unabhängigen Verlagsprogramme im Zuge des strukturellen Wandels in der Buchbranche in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich abgenommen. Weil ihre finanziellen Kapazitäten naturgemäß begrenzt und die Personaldecke dünn ist, kämpfen v.a. viele unabhängige Verlage um ihre Existenz. Das hat bereits und wird noch mehr Auswirkungen auf die Bibliodiversität und das Klima in unserer sich zunehmend polarisierenden Gesellschaft haben.
Systemrelevant sind Buchverlage aber auch, weil sie an der Schnittstelle der Kreativwirtschaft agieren und mit ihren Aufträgen eine Existenzgrundlage für eine sehr große Zahl von Freiberuflern in Deutschland schaffen.
Um die komplexe Vielschichtigkeit von Verlagsarbeit für Außenstehende transparenter zu machen, hat die Kurt Wolff Stiftung anlässlich dieser Leipziger Buchmesse das Plakat „Was macht ein Verlag“ entwickelt. Golden Cosmos hat unsere inhaltlichen Ideen ebenso genial ins Bild umgesetzt wie schon den Vorläufer „Wer bekommt was vom Buch“, den wir im Jahr 2023 herausgebracht haben. Bitte machen Sie von beiden Plakaten Gebrauch, nehmen Sie sie hier am Stand mit, sprechen Sie darüber und machen Sie Ihre Freunde und Ihr Umfeld darauf aufmerksam „Was macht ein Verlag“. Auch diese Initiative konnten wir dank der finanziellen Unterstützung des Kulturstaatsministeriums realisieren.
Und nun muss ich natürlich noch auf den zweiten Fokus der Stiftungsarbeit zu sprechen kommen: die politische Arbeit, d.h. die Vertretung der Interessen unabhängiger Verlage gegenüber der Politik.
Literatur und das Lesen sind Teil von Kultur. Kultur ist die Basis des menschlichen Zusammenlebens, Kitt und Motor einer Gesellschaft. In einer Demokratie wie Deutschland ist die Kultur gekennzeichnet durch Offenheit, Toleranz, Respekt und Vielfalt. Und wenn – wie wir es gerade auf unterschiedlichste Weise beobachten können und erleben – demokratische Werte wie Vielfalt, Meinungsfreiheit und das freie Wort bedroht sind, von innen ebenso wie von außen, gilt es die Kultur in Bildung und täglichem Zusammenleben um so mehr wertzuschätzen und zu fördern.
Ausgehend davon setzt sich die Kurt Wolf Stiftung – wie Sie alle wissen – seit einiger Zeit für die Implementierung einer strukturellen Verlagsförderung ein. Sie zu prüfen hatte die scheidende Regierung vor vier Jahren im Koalitionsvertrag vereinbart. Hélas, die strukturelle Verlagsförderung ist zweimal an den Haushaltverhandlungen gescheitert. Abgesehen von den regierungsinternen Diskussionen ist sie auch und nicht zuletzt daran gescheitert, dass man noch nicht in allen Bundesländern dieser Republik verstanden hat, wie sehr die Buchbranche und speziell die unabhängigen Verlage mit ihren innovativen, vielseitigen Programmen zu unserer offenen und vielstimmigen Demokratie beitragen.
Aber wir haben im Vorstand der Kurt Wolff Stiftung in den letzten vier Jahren registriert, dass die Zahl der Befürworter einer strukturellen Verlagsförderung in der Politik zunimmt. Bei der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse vor 5 Monaten war beeindruckend, wer sich alles zur Vielfalt in der Buchbranche und zur Freiheit des Wortes bekannt hat.
Vielleicht erleben wir jetzt, unter dem zunehmenden Druck auf unsere Demokratie, den Moment eines echten Aufbruchs hin zu einer verlagsstärkenden Bildungs- und Kulturpolitik. Damit aus dem verstaubten und v.a. bei offiziellen Anlässen bemühten Klischee der „Kulturnation Deutschland“ endlich ein lebendiges kulturelles Selbstverständnis entstehen kann.
Da Beharrlichkeit eine der Kernkompetenzen von Verlegerinnen und Verlegern ist, werden wir jedenfalls nicht locker lassen.
Ich nutze also die Gelegenheit und rufe den Parteimitgliedern von CDU/CSU und SPD, die aktuell in Berlin über eine Regierungskoalition verhandeln, einen „freundlichen Gruß von der Kurt Wolff Preisverleihung auf der Leipziger Buchmesse“ zu. Und ich appelliere an Sie:
Setzen Sie unsere Forderung nach einer strukturellen Verlagsförderung auf die Agenda der neuen Regierung! Die Studien und Konzeptpapiere dazu liegen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Referaten der BKM. Aber wir sind auch weiterhin bereit, alle Ihre Fragen zu unserer Branche zu beantworten.
Und en passant: wir halten auch die Fortsetzung des Kulturpasses für ein – gemessen an anderen, bereits beschlossenen Budgets – sehr erschwingliches und extrem wirksames Mittel der Demokratiestärkung.
Nur bitte handeln Sie rasch.
Die Bibliodiversität der Buchbranche leistet hier im Land einen grundlegenden Beitrag zu unserer offenen, diversen und demokratischen Gesellschaft. Unsere Branche lebt davon, dass die kleinen, risikofreudigen, neugierigen Unternehmen neue, noch unbekannte Autoren und andere Perspektiven und Meinungen veröffentlichen, und dass große Verlage diese Impulse der kleinen Unternehmen aufgreifen, sobald sie Mainstreamtauglich sind und auf diese Weise für Dynamik in der Leserschaft sorgen. Gemeinsam sorgen wir mit unserer Arbeit für nachhaltige Demokratiebildung und -stärkung. Die gesellschaftliche Akzeptanz demokratischer Werte und Strukturen ist die Voraussetzung dafür, dass die Bundesrepublik Deutschland im Verbund mit den in Europa noch vorhandenen Demokratien ihre Verantwortung nach innen und außen wahrnehmen kann.
Wenn unabhängige Verlage ihre Arbeit jedoch einstellen müssen,
- Verlieren die Leserinnen und Leser im gesamten Bundesgebiet ein vielfältiges Angebot von Büchern mit unterschiedlichen Inhalten, die die offene, vielstimmige Gesellschaft bereichern und nachhaltig zu Demokratiebildung und -stärkung beitragen.
- Verliert der „Organismus“ Buchbranche den Input der unabhängigen Verlage, die mit ihrem Mut zum Risiko, ihrer Flexibilität und ihrer Neugier neue literarische und gesellschaftliche Impulse in der Kulturlandschaft Deutschlands setzen. Denn zur Vielfalt der Genres, dem „besonderen Buch“, für die Bibliodiversität leisten unabhängige Verlage einen unverzichtbaren Beitrag.
- Verlieren Autorinnen und Autoren, Übersetzerinnen und Übersetzer, Illustratorinnen und Illustratoren, Designerinnen und Designer, Druckereien, Buchbindereien – kurz: weite Teile der Kreativwirtschaft in der Bundesrepublik eine nicht unerhebliche Zahl an Aufträgen und damit ihre Existenzgrundlage.
Zum Schluss möchte ich Ihnen, liebe Frau Kulturstaatsministerin Roth und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihres Hauses, herzlich danken für die Unterstützung unserer Arbeit. Ebenso danke ich allen anderen, die durch ihre Spenden die Arbeit der Kurt Wolff Stiftung unterstützen.
Karsten Dehler bin ich, sind wir – sowohl das Kuratorium als auch der Vorstand – für seinen unermüdlichen, weitsichtigen und verlässlichen Einsatz in der Geschäftsstelle dankbar. Karsten, ohne Dich liefe hier gar nichts und das kann gar nicht oft genug betont werden: MERCI!
Ich danke Carolin Callies, die auch in diesem Jahr wieder ein tolles, vielseitiges, ebenso anspruchsvolles wie unterhaltsames Veranstaltungsprogramm kuratiert hat, an dem – und dafür sei SWIPS, ARGE und den beteiligten Verlagen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gedankt – wieder zahlreiche Autor*innen und Verleger*innen mit ihren Beiträgen mitwirken. Und ich danke taz und Freitag für die nun schon „traditionelle“, weil langjährige Medienpartnerschaft.
Ja, und was ja auch schon lange Tradition ist: Auch dieses Jahr laden wir im Anschluss an die Preisverleihung zum Empfang – dafür, dass es uns dabei gut geht, sorgt Konsum Leipzig: Herzlichen Dank!
Der Leipziger Kafferösterei „Elstermühle“ danke ich für den „legendären“, weil hervorragenden Espresso an unserer Bar. „quadratisch praktisch gut“ – wer kennt diesen Slogan nicht: Ritter Sport versüßt uns auch in diesem Jahr die Messetage mit wunderbarer, nervenstärkender Schokolade, Merci dafür! Und was wäre der Ausschank an der Bar ohne die auf der Buchmesse stets vergnügten und zum Gespräch aufgelegten Verlegerinnen und Verleger: Herzlichen Dank!
Unseren diesjährigen Preisträgern danke ich für ihr verlegerisches Engagement, für die Beharrlichkeit und den Mut, den ihr tagtäglich beweist.
Und Ihnen allen danke ich dafür, dass Sie durch Ihre Anwesenheit das verlegerische Tun unserer diesjährigen Preisträger würdigen.
Katharina E. Meyer, Gehalten am 28. März 2025
Es gilt das gesprochene Wort.