Grußwort von Kulturstaatsministerin Claudia Roth

Grußwort von Kulturstaatsministerin Claudia Roth anlässlich der Verleihung des Kurt Wolff Preises auf der Leipziger Buchmesse am 28. März 2025

Kurt Wolff war nicht nur Verleger, er war ein Visionär, einer, der mit mutigen verlegerischen Entscheidungen Einfluss nahm auf die deutsche Literatur. Über seine Motivation, den Beruf des Verlegers zu ergreifen, schrieb er, ihn habe der der Wille angetrieben, „für das, was ich liebte, was mir wichtig, heutig, echt schien, zu wirken mit dem Ungestüm meiner Überzeugungen, den Kampf aufzunehmen gegen den Moloch Dummheit und Publikum.

Auch wenn ich mir diese Skepsis gegenüber einem breiten Publikum so sicher nicht zu eigen machen würde, möchte ich doch unterstreichen: Gut, dass es auch heute noch Menschen wie Kurt Wolff gibt. Menschen, die mit Leidenschaft Verleger und Verlegerinnen sind, die es wagen, Neues zu schaffen, auch einmal aus dem Mainstream auszubrechen, die ihre eigenen Wege gehen. Verlegerinnen und Verleger, die so für die Vielfalt literarischer und fachlicher Stimmen sorgen, die Debatten anregen – und damit unsere Demokratie – bereichern.

Viele dieser besonderen Menschen sind heute hier. Und ich möchte die Gelegenheit nutzen, Ihnen dafür Danke zu sagen. Danke für Ihren Einsatz und Ihren Mut, danke für einzigartige Bücher in einer Vielfalt, von der wir alle so profitieren. Der Kurt-Wolff-Preis zeichnet die Preisträger:innen für genau diese Leistung aus und deshalb ist er ein so wichtiger Preis.

Nicht weniger wichtig ist die Kurt-Wolff-Stiftung, die hinter diesem Preis steht. Vor 25 Jahren, als Manfred Metzner und mein Vorgänger, Michael Naumann, sie andachten, war die Situation für die unabhängigen Verlage nicht gerade rosig und die weitere Entwicklung sah nicht unbedingt besser aus: Da waren kostenintensive Anpassungen an die zunehmende Digitalisierung, Rückforderungen der VG Wort infolge eines BGH-Urteils oder eine Grossisten-Insolvenz, steigende Papierpreise und sinkende Buchverkäufe – immer wieder zogen dunkle Wolken auf. Die Kurt-Wolff-Stiftung konnte dazu beitragen, dass sich nicht jedes dieser Unwetter ungehemmt entlud. Sie ist zu einem echten Stabilitätsanker geworden. Sie unterstützt, sie baut Netzwerke auf und sorgt für eine Sichtbarkeit des Miteinanders der unabhängigen Verlage. Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum und danke für Ihre Arbeit. Ich blicke dabei stellvertretend für die vielen, vielen Engagierten zum Vorstand, zu Dr. Katharina Meyer, Sarah Käsmayr und Daniel Beskos und nicht zuletzt zu Karsten Dehler, der in der Geschäftsstelle die Zügel zusammenhält.

Nicht nur vor 25 Jahren, auch schon zu Kurt Wolffs Zeiten war die Gründung eines Verlages ein Wagnis. Seine Lebensgeschichte verdeutlicht das eindrucksvoll. Der raue Wind des Wettbewerbs ist aber bis heute nicht abgeflaut. Für kleine und unabhängige Verlage ist er besonders hart und kann existenzbedrohend werden. Damit droht dann aber auch ein Verlust an verlegerischer Vielfalt, ein Verlust an literarischen und politischen Stimmen im öffentlichen Diskurs, ein Verlust also für die Demokratie.

Deshalb ist es kulturpolitisch so wichtig – und war mir in meiner Amtszeit auch ein persönliches Anliegen – kleine und unabhängige Verlage zu unterstützen. Zum einen durch gute Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel immer wieder das klare Bekenntnis zur Buchpreisbindung. Zum anderen aber auch durch unseren Verlagspreis, den wir weiterentwickeln und noch breiter aufstellen konnten. Ich wünschte, es wäre noch mehr gelungen. Ich weiß, welche Hoffnungen Sie zum Beispiel in eine strukturelle Verlagsförderung legen.

Heute soll es aber um die Preisträger-Verlage gehen. Ich gratuliere dem Verlag „Theater der Zeit“ ganz herzlich zum Kurt-Wolff-Preis. Als bekennende Brechtliebhaberin freut es mich besonders, dass ein Verlag ausgezeichnet wird, der die Schauspielkunst und ihre im Brechtschen Sinne „Schwesternkünste“ erforscht. Und damit auch dafür sorgt, dass sie als ein wesentlicher Bestandteil unserer Kultur wahrgenommen werden. Meine Gratulation gilt natürlich auch der Edition A. B. Fischer, die seit mehr als zwanzig Jahren – vor allem in den Reihen ›Menschen und Orte‹ und ›Wegmarken‹ –die Türen in die persönlichen Welten schreibender Größen öffnet und auf ihren verborgenen Spuren wandelt.

Der Kurt-Wolff-Preis ist nicht nur eine Auszeichnung, sondern auch ein Zeichen des Dankes und der Wertschätzung für all das, was Sie und die vielen anderen kleinen und unabhängigen Verlage leisten. Sie sorgen dafür, dass die Literatur lebendig bleibt, dass wir immer wieder neue Entdeckungen machen können. Und das können wir in diesen Zeiten gut gebrauchen, in denen die Freiheit der Kultur, durch Demokratiefeinde und Rechtstaatsverächter bedroht ist, die ihre Vorstellung von einer vermeintlich „wahren“ und „richtigen“ deutschen Kultur durchsetzen wollen. Wir alle werden den Kampf gegen den Moloch solcher Dummheit im Sinne Kurt Wolffs aufnehmen müssen.

Liebe Verleger:innen, liebe Verantwortliche der Kurt-Wolff-Stiftung, ich wünsche Ihnen dafür – auch in den nächsten 25 Jahren – weiterhin den Ideenreichtum und die verlegerische Freude am Neuen. Vielen Dank!